Ein Versuch zur Begriffserkärung Künstliche Intelligenz

Nun ist sie in aller Munde, die Künstliche Intelligenz. Sie tritt in Talkshows auf, in Koalitionsvereinbarungen, in EU-Beschlüssen, wird als Wunderwaffe gegen Krebs und Co. gesehen und soll nicht nur unser Leben einfacher machen, sondern auch noch Kriege gewinnen. Ja, geht’s noch?

Ein Hype geht mal wieder durchs Land. Und wer nicht aufspringt, wird abgehängt, verliert den Anschluss an die Weltspitze, wird nie wieder Handelsweltmeister und Fußballweltmeister schon gar nicht. Es ist noch nicht lange her – 10 maximal 15 Jahre – da wurde man belächelt, wenn man von KI sprach. Tote Angelegenheit wurde gesagt oder völlige Unwissenheit, was das denn sei, zugegeben? Aus de großen Buchhandlungen verschwand die Sparte KI – bis dahin noch fast ein Meter lang – und die Bücher verkrümelten sich irgendwo.

Nun sollte man aber innehalten, wenn die KI mit einer Naturnotwendigkeit wie der Klimawandel über uns herfällt und sich fragen, was das denn eigentlich sei. Zunächst zur Schreibweise. Manchmal wird es großgeschrieben „Künstliche Intelligenz“ aber noch häufiger findet man es kleingeschrieben „künstliche Intelligenz“. Da man aber wohl nie die Abkürzung kI sondern immer nur KI findet, darf man fragen, was ist nun eigentlich richtig.

Ich muss ausholen und will mich von zwei Seiten der Problematik nähern. Als wir in den 70er Jahren anfingen, über KI nachzudenken, dafür Forschungsaufträge und -gelder bekamen, gab es auch schon die Kontroverse über Groß- und Kleinschreibung, sie hatte damals aber einen besonderen Grund: die Gegner der KI, und die gab es in der DDR wie in der Bundesrepublik nicht zu wenig, sahen in der Großschreibung eine Art Adelung der KI zur Wissenschaft. Damit wuchs natürlich das Ansehen derer, die die KI vertraten und natürlich der Anspruch auf Forschungsgelder. Und immer dann, wenn die KI die Erwartungen nicht erfüllte, wurde aus der Großschreibung die Kleinschreibung. Ich kann das nicht statistisch belegen, natürlich nicht, aber so haben wir es empfunden. Und aus dieser Tendenz des Kleinschreibens ist sie bei vielen (z. B. R. D. Precht) wohl noch nicht herausgekommen. Aber die Kleinschreibung bedeutet nun aber eine ganz andere Form der Adelung. Sie sagt, KI wäre Intelligenz, nur eben eine ganz spezielle, eine die auf Silizium, nicht auf Kohlenstoff, beruht, aber von dieser Marginalie abgesehen so ziemlich das Gleiche bedeutet. Vielleicht noch ein bisschen eingeschränkt, aber das wird schon.

Lassen wir das mal so stehen und nähern uns dem Begriff von einer anderen Seite. Weder in Deutschland noch im Deutschen ist die Künstliche Intelligenz erfunden und begrifflich eingeführt worden, sondern natürlich in der USA, dem Land des technologischen Fortschritts und des sozialen Rückschritts (pardon, ein Ausrutscher, kann mal passieren, gehört nicht hierher, ich entschuldige mich). Da heißt es Arteficial Intelligence. Wow, das ist nicht nur ein Hammer, das sind zwei Hämmer. Es wird großgeschrieben wie allgemein üblich bei zusammengesetzten Fachgebietsbezeichnungen im Englischen wie auch im Deutschen, z.B. Theoretische Physik, Spezielle Relativitätstheorie, Statistische Thermodynamik und einiges mehr. Wobei dies natürlich auch eine Konvention ist.

Da wir es bei der Intelligence nun nicht mit einem Fachgebiet zu tun haben, es sei denn, wir meinen die geheimdienstliche Arbeit des Sammelns von Informationen, müssen wir bei der Schreibweise besonders vorsichtig sein, um nicht schon dadurch unbewiesene und vielleicht unbeweisbare Behauptungen zum Ausdruck zu bringen, also letztlich, dass wir das, was wir gewöhnlich als natürliche Intelligenz bezeichnen, nun mit künstlichen Mitteln bewerkstelligen.

Wenn wir, etwas verkürzt, Intelligenz als die Fähigkeit bezeichnen, Wissen zu erwerben, Wissen wiederzugeben, Probleme zu lösen und Entscheidungen zu fällen, so steht es uns frei, die gleiche Definition für Mensch, Tier und Computer anzuwenden. Und doch meinen wir jeweils sehr unterschiedliche Ausprägungen des gleichen Begriffs. Niemals kommen wir auf die Idee zu sagen, dass die zweifellos vorhandene Intelligenz der Tiere irgendetwas mit der Intelligenz der Menschen zu tun hat. Ihr seid intelligent, aber ihr seid anders, sagen wir. Warum nicht gleichermaßen bei Maschinen? Und wir stehen nicht an zuzugeben, dass sie in vielen Gebieten unvergleichlich leistungsfähiger sind, so wie auch Tiere dies uns gegenüber in vielen Aspekten (Geruch, Gehör, Orientierung) sind. Wenn wir es so sehen, hätte ich auch nichts dagegen „künstliche Intelligenz“ zu schreiben, es wäre aber eine völlig andere Art von Intelligenz.

Viele meinen, dass der Begriff sehr unglücklich ist. Würden wir es so bezeichnen, was es tatsächlich ist, z. B. Maschinenlernen oder Mustererkennung oder künstliche neuronale Netze, hätte es sicher nie einen Hype um dieses Gebiet gegeben, und wir würden auch nicht an diesen dystopischen Ängsten vor der möglichen Allmacht der Maschinen leiden. Wie behauptete gerade der größte Gelehrte dieses Jahrhunderts, Elon Musk: „gefährlicher als die Atombombe“. Sprach’s und gründete gleich eine neue Firma X.ai, da die Konkurrenz offensichtlich nicht willens war, seinem sechsmonatigen Moratorium zur KI-Forschung zuzustimmen.